Jasons Schreibtisch © Hiatus
Fundstadt geht in den Endspurt. Als eine »urbane Topographie zweier Städte aus der Perspektive von Kindern aus sozial unterschiedlichen Verhältnissen« hat das Produktionsteam dieses Projekt bei der Bewerbung damals beschrieben. Mit jeweils drei Kindern aus Gelsenkirchen und Bremen wurde und wird weiterhin intensiv künstlerisch gearbeitet. Sie alle haben inzwischen ihr eigenes mit wesenhaften Zügen ausgestattetes »Ding« erfunden, das ihren Angaben gemäß in den Werkstätten nun gebaut wird. Sie alle haben gemeinsam mit musikalischen Pat:innen aus den jeweiligen Orchestern darüber hinaus das ihrem Ding zugeordnete »Dinglied« komponiert, das von Instrumentalist:innen der Orchester in unterschiedlichen kammermusikalischen Besetzungen nun als Tonaufnahme eingespielt wird. Jedem der Kinder wird auf dem Weg, den das Publikum zurückzulegen hat, eine eigene Station gewidmet sein. Die sechs Kinder selbst, ihre Dinge und Dinglieder werden Bestandteile des digitalen Geschehens sein, man via Tablets an diesen Stationen für sich abruft. Begegnen wird man unterwegs immer wieder auch musiktheatralen Live-Aktionen, für die sich weitere Kinder und weitere Orchestermusiker:innen zusammengefunden haben. Eines der sechs Filmkinder ist Jason. Folgende Mail schrieben Hiatus an die Gelsenkirchener Interpret:innen seines Dinglieds:
»Liebe Mariana Hernández González,
lieber Istvan Karacsonyi, Gioele Coco, Rainer Nörenberg, Uwe Rebers,
ihr seid das DINGLied-Ensemble von Jason, wir freuen uns, Euch erleben zu dürfen! Jasons Wesen ist ein Geschöpf von einem anderen Planeten, der aus rotem Sand besteht. Es hat vier Hände, zwei menschliche, zwei Krebsscheren, und auf dem Kopf trägt er nochmals Knochen, um vor Angriffen geschützt zu sein. Es kann Wände hochgehen und kopfüber an der Decke laufen, es kann sich groß und klein machen, Blitze schießen. Es isst am liebsten stinkende Socken. Im Film erschafft Jason quasi seine eigene Welt. Er beginnt in einem leeren weißen Raum und richtet seinen Arbeitsplatz in einer Garage ein, baut sein eigenes Sonnensystem. Eines Tages kommt er zurück zu seinem Atelier in der Garage und findet es verwandelt vor. Dort erscheint ihm sein Wesen. Jason weiß nicht, ob sich seine Welt in seiner Abwesenheit selber weitergebaut hat und so das Wesen entstanden ist, oder ob das Wesen heimlich weitergebaut hat. In dem letzten Musiktreffen mit Jason haben wir mit Hilfe von Jasons fantastischen »Musik-Paten« Istvan Karacsonyi den Grund für Jasons DINGLied gelegt. Mit den neun Planeten unseres Sonnensystems hat Jason Musik-Patterns erfunden. Außerdem gibt es Vertonungen von Istvan von den Superkräften des Wesens (Bsp. siehe Anhang). Die Musik wird sich analog zu Jasons Filmgeschichte nach und nach aufbauen.«
Zu Jasons Dinglied hat Duri Collenberg eine Spielpartitur entwickelt, deren unterschiedliche Stimmen dem Schreiben angehängt sind – untenstehend hier: die Noten der 1. Oboe.
lebt in London als zweisprachiger Schriftsteller , der sich auf Gedichte, Essays und Opernlibretti konzentriert. Er hat zwei Gedichtbände in Kroatien veröffentlicht (»Listing Things« 2013, »Dropdown Menu« 2015) und wurde mit zwei Opern am Royal Opera House in London, Großbritannien, aufgeführt (»Colony« 2015, »Greenland« 2015). Aleksandar hat einen MA in Opera Writing an der Guildhall School of Music and Drama in London erworben und wurde mit zwei Lyrikpreisen ausgezeichnet – dem Ulaznica-Preis (Serbien) 2011, und dem Fernando-Pessoa-Preis (Kroatien) 2012.
Premil Petrovic
ist Gründer, Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des No Borders Orchestra, ein junges Spitzenorchester, das sich aus Musiker:innen der ehemaligen jugoslawischen Staaten zusammensetzt. Er hat Dirigieren bei Prof. Winfried Müller an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin studiert und nahm an Interpretationsworkshops führender Dirigenten wie Simon Rattle, Pierre Boulez oder Nikolaus Harnoncourt teil. Premil Petrović gehört zu den führenden Musikerpersönlichkeiten in seiner Heimat Serbien. 1996 gründete er das Musiktheater im Cinema REX, einer der wichtigsten und politisch aktivsten Veranstaltungsorte Belgrads in den neunziger Jahren. Neben dem klassischen Orchesterrepertoire widmete er sich zahlreichen Uraufführungen zeitgenössischer Musik. Er wurde mit dem Hanns-Eisler-Preis für Komposition und Interpretation zeitgenössischer Musik ausgezeichnet. 2015 erschien die erste CD des No Borders Orchestra unter der Leitung von Premil Petrović bei der Deutschen Grammophon.
www.premilpetrovic.com
Foto © Melina Mörsdorf
(they/them/she/her/he/him)
ist Regisseur:in, Choreograf:in und Schauspieler:in. Heinrich Horwitz studierte Schauspielregie und Choreografie an der HfS Ernst Busch Berlin. Sie realisierte Produktionen in der freien Szene, an verschiedenen Stadttheatern und in der Szene der Neuen Musik. Seit 2017 arbeitet Heinrich Horwitz kontinuierlich mit dem Ensemble Decoder zusammen. Außerdem als Choreograf:in mit Sarah Nemtsov, Carola Schaal, Alexander Schubert, Ensemble Garage, Lux NM und der Kuratorin und Dramaturgin Elisa Erkelenz. Neben der Regie und Choreografie arbeitet Heinrich kontinuierlich auch als Schauspieler*in an Theater, in Film und Fernsehen.
www.heinrich-horwitz.com
Foto © Andrew Watts
wurde 1983 in Zagreb geboren. Nach seinem Kompositionsstudium in Graz und Stuttgart spezialisierte er sich auf elektronische Musik am IRCAM und promovierte schließlich an der Stanford University (USA) in der Klasse von Brian Ferneyhough. Seine Kompositionen wurden von renommierten Ensembles aufgeführt. Im Jahr 2014 rief er das internationale Festival für zeitgenössische Musik Novalis im kroatischen Osijek ins Leben, für das er noch heute als künstlerischer Leiter arbeitet.
www.db-vincze.com
Foto © Alexander Chernyshkov
ist Komponist, Performer und Improvisator. An der Universität Wien studierte er Komposition bei Chaya Czernowin, Karlheinz Essl und Clemens Gadenstätter. Er beschäftigt sich experimentell mit dem Bau einzigartiger neuer Instrumente. Im Zentrum seiner Arbeit steht Komposition und Praxis des performativen Musiktheaters. Seine Werke werden von wichtigen Ensembles und Musiker:innen aufgeführt. Als Komponist und Musiktheaterregisseur wurden Chernyshkovs Stücke u. a. an der Staatsoper Hamburg, dem Stanislavsky Elektrotheatre in Moskau, dem Teatro alle Tese in Venedig, auf den Musiktheatertagen Wien und beim Steirischen Herbst in Graz gespielt.
Foto © Hauen und Stechen
Das Musiktheaterkollektiv Hauen und Stechen wurde von den Musiktheaterregisseurinnen Franziska Kronfoth und Julia Lwowski gegründet. Sie arbeiten seit 2012 künstlerisch und strategisch zusammen. Beide studierten Opernregie an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. In ihrer Arbeit mit dem Kollektiv streben sie ein bewegendes, zeitgemäßes, grenzüberschreitendes und genreübergreifendes Musiktheater an. Die enge gemeinsame Arbeit mit den Musikern Roman Lemberg und Louis Bona, der Dramaturgin Maria Buzhor, den Sängerinnen Angela Braun und Vera Maria Kremers, den Schauspieler:innen Gina-Lisa Maiwald, Thorbjörn Björnsson und Günter Schanzmann, dem Videokünstler Martin Mallon, den Bühnen- und Kostümbildner:innen Christina Schmitt, Yassu Yabara und Günter Lemke sowie einem dichten Netzwerk von Opernsänger:innen und Musiker:innen führte zur Entwicklung einer eigenwilligen, wilden, performativen und unverwechselbaren Theatersprache. Das Kollektiv arbeitet ortsspezifisch, mit dem Ziel, die Besonderheit der Orte durch das Setting der Aufführung zur Geltung kommen zu lassen und sie zugleich durch die Arbeit der Bühnenbildner:innen auch zu verwandeln.
www.hauen-und-stechen.com
ist eine in Berlin lebende Komponistin, Performerin und Klangkünstlerin. Ihre Arbeiten konzentrieren sich auf verschiedene Ausdrucksformen, die sowohl musikalische als auch performative Elemente, Licht, bildende Kunst und andere Medien einbeziehen. Seit sie nach Europa gekommen ist, arbeitet sie intensiv mit dem menschlichen Körper und Objekten als kompositorischem Material, wobei sie ein großes Interesse an der Körperlichkeit der Performance hat. Zhao studierte Komposition am CCOM Beijing, an der HMDK Stuttgart und an der Musik-Akademie Basel sowie szenische Komposition an der ABPU Linz, wo sie auch unterrichtete. Sie hat mit zahlreichen Künstlergruppen und Festivals in Europa, Asien und Nordamerika zusammengearbeitet.
Foto © Saara Autere
Seit über zwanzig Jahren kreieren Oblivia Performances aus Bewegung, Tanz, Sprache, Klang, Licht und Gesten. Das Kernteam von Annika Tudeer und Timo Fredrikson wurde im Laufe der Jahre durch zahlreiche Partner:innen, Kollaborateur:innen oder neue Kompaniemitglieder erweitert oder angepasst, die sich dem künstlerischen Netzwerk von Oblivia in unterschiedlicher Nähe oder Regelmäßigkeit anschließen. Mit Werken wie der »Entertainment Island«-Trilogie, der aus fünf Stücken bestehenden »Museum of Postmodern Art«-Serie oder dem »Nature Theater of Oblivia« war die Kompanie in ganz Europa auf Tournee.
Stills aus der Filmversion der Kurzoper »Xinsheng« (Regie: Heinrich Horwitz)
Bereits seit Oktober steht das Projekt für die Spielzeit 2023/24 fest, jetzt endlich nun auch sein definitiver Titel – »Freedom Collective«. Seit Dezember entsteht der genauere Handlungsentwurf. Für seine kompositorische Vorstudie (noch unter dem Titel »XinSheng«) erhielt Davor Vincze gemeinsam mit Rama Gottfried und Andrés Nuño de Buen am vergangenen Wochenende nun den jährlich vergebenen renommierten Stuttgarter Kompositionspreis. Mehr als 150 Kompositionen waren als Bewerbungen eingereicht worden. Die drei Preisträgerstücke, die beim Abschlusskonzert des Stuttgarter Eclat-Festivals zur Uraufführung kamen, hätten unterschiedlicher kaum sein können – Nuño de Buens Gitarrenquartett: sparsam, zurückgenommen, fast schon hermetisch; Gottfrieds »Scenes from the Plastisphere«: verspielt und offen in der Form; »Xinsheng«: kulinarisch, raffiniert, mit klanglicher Delikatesse und großer Geste, die sich des Opernhaften nicht scheut. Das Ensemble Mosaik spielte in der Besetzung Klarinette, Cello, Keyboard, Schlagzeug und (ja, dieses Instrument gibt es wirklich:) E-Zither; Nina Guo sang. Reichlicher Applaus im ausverkauften Saal. Wir erwarten mit Spannung den weiteren Fortgang.