Student*innen der Theaterwissenschaft werden sich irgendwann damit beschäftigen, wie wir (und damit ist natürlich nicht nur der feXm gemeint) das Theater durch diese seltsame Zeit zu schaukeln versucht haben. Absehen wird man dann können, welche Spuren und Veränderungen sie in ihm hinterließ, auf welche Weise es sich veränderte und möglicherweise erneuerte, welche seiner früheren Wege und Methoden anschließend ausgemustert blieben. Wissen wird man, was von ihm blieb, wieviel von ihm blieb, wer von ihm blieb.
Marc Sinan hat es schon letzte Woche auf Facebook gespostet: »Leider ist traurige Gewissheit, dass auch ›Chaosmos‹ diese Spielzeit am Theater Bremen Corona-bedingt nicht mehr stattfinden kann.« »Coronabedingt« – abzusehen schon jetzt, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache diesen Ausdruck coronabedingt zu ihrem »Wort des Jahres« erklären wird.
Für »Chaosmos« bedeutet das aber nicht ein vorzeitiges Aus. Wer teilnimmt am NOperas!-Programm ist darauf eingestellt, einen jeweils erreichten Projektstand kontinuierlich als Ausgangspunkt einer Weiterentwicklung zu verstehen. Notgedrungen führt diese Weiterentwicklung auch »Chaosmos« jetzt ins Digitale. Ein Glücksfall dabei bleibt: Anders als die vielen, die sich in diesem Feld nun erst ihre Sporen verdienen müssen, ist dieses Team hier ohnehin so zuhaus wie auf der Theaterbühne.
Gedanken wurden gewälzt und Methoden erkundet seit Januar, auf welchem Weg ein Theaterpublikum noch stärker zum Mitwirkenden des Bühnengeschehen werden könnte. Zwar war all das nun definitiv für die Katz. Interaktiv soll in Orientierung an der ursprünglichen Grundidee nun aber auch das digitale Produkt werden. Auch hält der feXm bislang daran fest, dass das Theater, wo es nicht sein muss, nicht komplett der Homeshow am PC geopfert wird, sprich, dass es auf Basis gefilmten Materials in Bremen und Halle nach wie vor zu Formen einer Aufführung kommen kann, an der Sänger*innen beteiligt sind.
Den Willen, sich coronabedingt nicht unterzukriegen zu lassen, bezeugen die Clips, die Konrad Kästner interimistisch in Social Media und (unter dem Menüpunkt »Medien«) auf der NOperas!-Webpage postet. Sein letzter, aufgenommen im leeren Hallenser Opernhaus, ist ihm allerdings ziemlich gespenstisch geraten, er wirkt ein wenig wie ein Remake von Spielbergs »Close Enconunters of the Third Kind«.
Kaum sind auf ähnliche Weise auch die Weichen für »Kitesh« nun schon gestellt. Obwohl jedes Bundesland derzeit andere Regeln verfolgt, deutet im Moment wenigstens alles daraufhin, dass alle Theater im Oktober wieder spielen können. Aber was werden die Auflagen sein? Bei der feXm-Jury setzte sich »Kitesh« mit der Idee durch, das Publikum nacheinander durch unterschiedliche Stationen eines gemeinsamen Parcours zu führen. Entsprechend einer angepassten Idee nun könnten diese Stationen simultan bespielt, Besucher*innen in jeweils kleinen Gruppen auf sie aufgeteilt werden. Ist einerseits aber davon auszugehen, dass auch bei solche Anpassung nichts vorbeiführt an einer erheblichen Beschränkung der Gesamtzahl an Zuschauer*innen, so erhöht sich andererseits, da ja jetzt überall zugleich gespielt werden muss, erheblich der Aufwand an Mitwirkenden. Das bleibt ein noch ungelöstes Problem für die beteiligten Häuser und für das von der Gruppe verwaltete Budget.
Nicht Masketragen und Händewaschen allein hält uns grade am Leben. Zur notwendigen Psychohygiene gehört es, nicht manisch allein über die Rettung von Gefährdetem nachzudenken, sondern allem zum Trotz den Mut aufzubringen, Neues zu planen. Via Internet-Konferenz unternahm die Jury des feXm vergangenen Montag erste Weichenstellungen für 2021. NOPeras! wird dann in seine dritte Runde gehen.
Endlich waren bei dieser Ausschreibung nun auch sämtliche Website-Informationen in englischer Sprache verfügbar. Deutlich ist ein Anstieg von Bewerbungen aus dem europäischen Ausland erkennbar. Erstmals wurde die Ausschreibung in diesem Jahr auch weitläufig in Kreise migrantischer und postmigrantischer Kulturvereine gestreut. Kaum erkennt man bei Durchsicht der Bewerbungen aber einen Effekt. Ist die Idee eines Musiktheaters, das sich, so die Formulierung der Ausschreibung, »im Feld eines performativen Theaterverständnisses einer Befragung des Verhältnisses von musikalischem Klang zu Raum, Sprache, Theateraktion und digitalen Medien« stellt, in ihrer Reichweite doch möglicherweise auf bestimmte Kreise beschränkt?
Dreiunddreißig Teams haben sich beworben. Erneut fiel es enorm schwer, ihre Anträge herunter zu brechen auf zunächst fünf Finalisten, die zu einem vertiefenden Gespräch eingeladen werden sollen. Das Musiktheater als zeitgenössische und weit über die Oper hinausführende Kunstform ist, wie die Bewerbungen zeigen, voll neuer und quicklebendiger Impulse. Zur Förderung, die es eigentlich bräuchte und verdiente, reicht der feXm alleine kaum aus.